Zen – dem ganzen Leben wach begegnen
mit Weisheit, Zärtlichkeit und Mut

Jemand hat das Dasein der meisten Menschen einmal beschrieben, als würden sie in einem Schlafwagen mit heruntergezogenen Jalousien durch das Leben fahren. Zen ist ein Weg, um aufzuwachen, die Jalousien hochzuziehen und das Leben in seinem wahren Sein zu erfahren.

 

 

Be here now

Zen ist Präsenz, Bewusstheit, entspannte Wachheit, wahre Natur; ein Leben in tiefer Verbundenheit mit der Essenz des Lebens, wie sie sich von Augenblick zu Augenblick auf überraschende und kreative Weise entfaltet und manifestiert.
 

Wenn jeder einzelne Moment Bedeutung als er selbst erhält …

 

Auf dem Zen-Weg geht es darum,

·       irrige Vorstellungen von uns selbst und den anderen abzulegen,

·       zu erfahren, wer wir in Wahrheit sind,

·       mehr und mehr in Übereinstimmung mit unserem Wahren Selbst zu leben und

·       die Weisheit und das Mitgefühl unseres Wesens im Alltag zu verkörpern.

Mein Anliegen ist es, einen alltagsnahen, zeitgemäßen und herzensweiten Zugang zu Zen zu öffnen, der Raum gibt für Leichtigkeit und Lebendigkeit. Statt an manchen Ritualen zu kleben, die einer mönchischen und hierarchischen Kultur in Japan vor einigen Jahrhunderten sicher angemessener waren als unserer Kultur heute, integriere ich Modalitäten westlicher Schulen und zeitgenössischer Weisheitswege, die uns dabei unterstützen können, die Wahrheit unserer eigenen Natur zu erkennen. Besonders wichtig ist es mir auch, dass sich die ursprünglich patriarchal geprägte Zen-Tradition auf eine gleichberechtigte Weise zwischen den Geschlechtern ausdrückt.

 

Becoming a real mensch

Zen lässt sich beschreiben als eine Praxis von Achtsamkeit in Meditation ebenso wie im alltäglichen Handeln, die uns befähigt, ein mitfühlendes, lebensdienliches und mit allem verbundenes Leben zu führen. 

„Life is about becoming a real mensch”, hat Zen-Meister Bernie Glassman sinngemäß einmal gesagt. Der jiddische Begriff „real mensch“ beschreibt einen Menschen mit einem Gefühl für die eigene Würde und die aller anderen Wesen; eine Person, die sich durch Integrität und Aufrichtigkeit auszeichnet, vertrauenswürdig, voller Wertschätzung für das Leben und daher auch erfüllt von tiefem Verantwortungsbewusstsein.

Schönheit entsteht auch im schlammigen Wasser …

 

Als Menschen haben wir die Möglichkeit, unser Bewusstsein zu öffnen für Erfahrungen von Herzensgüte, Geistesklarheit, Ungetrenntheit und einem tiefen Gefühl von Zuhausesein im Sein. Oft tragen wir lange Zeit eine unbestimmte oder unbewusste Sehnsucht nach diesen Erfahrungen in uns, die uns den Weg weist. Zen ist eine Möglichkeit, auf diese Sehnsucht einzugehen und für sich zu erforschen, wohin sie uns zu führen vermag.

Mein Hintergrund im Zen

„Wir beginnen eine Disziplin wie Zen-Praxis, damit wir lernen, in einer geistig gesunden Weise zu leben.” 
Charlotte Joko Beck

Bei einer Zeremonie mit meiner Zen-Lehrerin Linda Myoki Lehrhaupt Roshi

 

Mein eigener Zen-Weg speist sich aus verschiedenen Quellen und wurde vor allem geprägt von Zen-Meister, Dichter und Achtsamkeitspionier Thich Nhat Hanh und von meiner Zen-Lehrerin Linda Myoki Ryugo Lehrhaupt, Roshi.

Meine vielen Aufenthalte in Thich Nhat Hanhs Meditationszentrum Plum Village in Frankreich, vor allem während der Jahre 2001-2007, legten den Grundstein für mein inneres Nachhausekommen, mein Nachhausekommen in die Welt und das Erleben des inneren Lichts, das allen Menschen innewohnt. Ich werde Thay (vietn. = Lehrer) und der weltweiten Plum Village Sangha dafür auf immer in tiefer Liebe und Dankbarkeit verbunden sein.

Linda Lehrhaupt, Roshi in der von Taizan Maezumi begründeten White Plum-Linie, hat mich über Jahre in der Zen-Herz-Sangha, der ich seit 2012 angehöre, gefördert und herausgefordert und mich schließlich zum Leiten von Meditationsgruppen, Retreats, Einzelbegleitung und Koanschulung autorisiert. Im Herbst 2024 erhalte ich von ihr Übertragung als Zen-Lehrerin (Sensei), um etwas vom Schatz des Dharma weiterzugeben.

Meine Zen-Praxis lässt sich mittlerweile nicht mehr scharf trennen von meiner IFS-Praxis. IFS oder Internal Family Systems, der von dem amerikanischen Psychotherapeuten Richard Schwartz entwickelte Ansatz für inneres Wachstum und emotionale Heilung, ist auffallend kongruent mit Prinzipien der buddhistischen Psychologie. IFS geht davon aus, dass wir in der Tiefe zu jeder Zeit hell und heil sind und dass jede:r von uns aus einem System an Persönlichkeitsanteilen besteht, mit denen wir aus einem achtsamen Zustand heraus in einen direkten Dialog treten können. Aus dem Raum unseres SELBST, unseres grenzenlosen Herzgeistes, können wir jedem dieser Teile mit freundlichem Interesse und echter Fürsorge begegnen. So können tiefes Verstehen, Mitgefühl für uns selbst und transformative Heilungsschritte entstehen. 

Neben der Möglichkeit, Wunden und Narben unseres früheren Lebenswegs zu lindern oder zu heilen, wodurch wir weniger stark in konditionierten, schmerzlichen Reaktionsmustern gefangen sind, bietet IFS einen innovativen Ansatz, uns an unsere wahre Natur zu erinnern: indem es dabei diejenigen Teile in uns, die üblicherweise abwertend als „das Ego“ bezeichnet werden, respektvoll in den Prozess miteinbezieht, statt zu versuchen, sie aufzulösen oder zu einer Veränderung zu zwingen.

 
 

Erwachen und erwachsen werden

Auf dem spirituellen Weg gibt es zwei Bewegungen, die häufig wie zwei Spurrillen eines Wagens parallel verlaufen: erwachen und erwachsen werden. Mitunter steht auch eine Zeit lang die eine oder die andere im Vordergrund.

Die Unterweisungen des Zen haben eine radikal befreiende Kraft, indem sie über unsere alltägliche Perspektive auf das, wer und was wir sind, rigoros hinausgehen. Sie verweisen auf eine tiefgreifende Sicht der Wirklichkeit – eine von unabdingbarer gegenseitiger Verbundenheit und Nicht-getrennt-Sein. Erwachen ist ein Wort, um die unendliche Potentialität, Freiheit, Kreativität und Liebe unserer ursprünglichen Natur zu beschreiben.

 

Gemeinsam können wir uns auf den Weg begeben, zu erwachen und erwachsen zu werden

 

Schrittweise Kultivierung

In unserer Praxis üben wir uns geduldig darin, Gelassenheit, Herzensgüte und Mitgefühl für uns und andere zu entwickeln. Emotionale und mentale Verstrickungen nach und nach zu lockern. Aus einem weiteren Herzen und klareren Geist heraus in der Welt zu handeln. Lebendiger, wacher, präsenter und zugewandter zu werden. Mit mehr Freiheit, Kreativität und Unmittelbarkeit mit dem zu interagieren, was das Leben uns von Moment zu Moment entgegenbringt. Menschlicher und ganzer zu werden, weil wir immer weniger Teile von uns selbst ausschließen oder abwerten. Mut, Großzügigkeit, Akzeptanz, Wertschätzung, Zärtlichkeit und Liebe zu verkörpern.

 

Unmittelbares Realisieren

In jedem Moment ist alles immer schon Ausdruck der einen wahren Natur, der schon immer präsenten Wahrheit und Perfektion alles Seins. Viele der scheinbar rätselhaften oder undurchsichtigen Texte und Aussprüche der großen Zen-Meister:innen kommen aus dieser Realisation und fordern uns auf, dieses Erkennen gemeinsam mit ihnen zu erfassen. Aus dieser Perspektive gibt es gar nichts an uns zu kultivieren oder zu verbessern, weil wir immer schon die Manifestation des Einen Körpers sind. Zazen, das stille Sitzen in Zen-Meditation, ist reiner Ausdruck unseres So-seins, Ausdruck des Lebens in diesem Augenblick. Das Leben vollzieht sich in jedem Augenblick in jeder Form auf vollkommene Weise. Jede Form ist Ausdruck des einen, vollkommenen Seins.

 

Zazen – Sitzen in Zen-Meditation

Eine zentrale Praxis im Zen ist Zazen, japanisch: Sitzen im Zen. Man tut nichts. Nichts im weltlichen Sinn. Stattdessen tut man das Wesentlichste – Mensch zu sein.

Die grundlegende Übung im Zen ist das Sitzen in Meditation, auch Zazen genannt. Das Wort „Zen“ bedeutet genau das: einfach Meditation. Die Praxis der Meditation kann viele Vorteile mit sich bringen: größere Aufmerksamkeit und Gewahrsein, die Beruhigung unseres Gefühlslebens und des Gedankenkarussells, ein wachsender Sinn für Wohlwollen und Freundlichkeit und der Wunsch, in dieser Welt hilfreich zu sein. Die neueste Technologie zur Bildgebung des Gehirns zeigt, was Meditierende seit Jahrtausenden spüren – dass die Schaltkreise im Gehirn, die mit Beziehungen, Mitgefühl, Achtsamkeit, Frieden und Freude verbunden sind, bei Langzeitmeditierenden verstärkt sind.

Meditation ist nicht so sehr etwas, was wir tun, es ist eher eine Erinnerung an das, was wir in der Tiefe wirklich sind. Wenn wir mit dieser Ebene in uns wieder in Kontakt kommen, merken wir, dass all die Verbundenheit, Freude und Erfüllung, die wir im Außen suchen, bereits in uns liegen.

Meditationspraxis kann auch helfen, unsere tiefsten existenziellen Fragen zu klären. Wer bin ich? Was ist diese Welt? Was ist Leben, was ist Tod? Warum bin ich hier? Was soll ich tun? Zen bietet einen Weg, diese Fragen zu erforschen und schließlich „die große Frage von Leben und Tod“ zu lösen.

 
 

Das alltägliche Wunder sehen

„Woher wissen wir, ob unsere Praxis echte Praxis ist? Nur durch eines: Wir sehen mehr und mehr das Wunder. Was ist das Wunder? Ich weiß es nicht. Wir können solche Dinge nicht durch Nachdenken erkennen. Aber wir spüren es immer, wenn es da ist.“ 
(Quelle unbekannt)

 

Präsent sein für das Wunder des Lebens

 

Im Zen gibt es nichts, woran man glauben muss, und nichts, was man tun oder sein muss – keine besonderen Gewänder oder rasierten Köpfe (es sei denn, man möchte das), nichts Besonderes. Wir setzen uns einfach auf ein Kissen oder einen Stuhl und üben, auf das zu achten, was vor sich geht.

Im Zen versuchen wir nicht, besondere Geisteszustände zu erreichen. Vielmehr entdecken wir, was für eine bemerkenswerte Sache es ist, in unserem täglichen Leben überhaupt anwesend zu sein. Wie ein Zen-Meister im 8. Jahrhundert sagte: „Mein Wunder ist, Wasser zu schöpfen und Holz zu tragen.“ Thay (Thich Nhat Hanh) drückte es so aus: „Das Wunder ist nicht, über Wasser zu wandeln, sondern auf der Erde zu gehen.“ Mit anderen Worten: Zen hilft uns, das alltägliche Wunder in jedem Augenblick unseres Lebens zu entdecken. Es lehrt uns, alles, womit wir in Berührung kommen, zu schätzen und wertzuschätzen.

Zen dreht sich also nicht nur darum, was in der Meditationshalle geschieht, sondern darum, was wir zu Hause tun, an unserem Arbeitsplatz, in unseren Begegnungen mit anderen. Es geht um das, was man im Zen „das große Mahl“ nennt – nämlich das ganze Leben. Es muss nährend sein und es muss geteilt werden. Und wir können nur die Zutaten nutzen, die wir zur Hand haben. Statt uns zu grämen oder zu beschweren, weil unser Leben nicht so ist, wie wir es gerne hätten, fordert Zen uns auf, aus genau den Zutaten, die uns zur Verfügung stehen, das „große Mahl“ zu kochen. Und Zen fordert uns zugleich heraus zu erkennen, wie wir die „Familie, die wir damit ernähren“, vergrößern können, wenn wir nur unsere Vorstellungskraft nutzen.

Wir üben daher, dem gegenwärtigen Moment ehrliche, liebevolle Aufmerksamkeit zu schenken, egal, was er beinhaltet. Schönen Momenten, schwierigen Momenten, scheinbar banalen Momenten.  Und indem wir präsent sind, wirklich präsent, ohne Urteil oder Abneigung, beginnen wir die Realität zu sehen, vielleicht zum ersten Mal.